Die Musiker verschmelzen mit ihren Instrumenten

Aspach. Gregor Oehmann hatte hohen Besuch: In Professor Pröpstls Puppentheater gab sich das Billy Hart Trio die Ehre und bot ein Konzert auf höchstem künstlerischen Niveau. Billy Hart, am Schlagzeug seit mehr als 45 Jahren eine feste JazzGröße, ist auf mehr als 600 Platten zu hören. Saxophonist Johannes Enders ist SWR-Jazzpreisträger, Martin Zenker einer der gefragtesten Bassisten im deutschsprachigen Raum. Zur Enttäuschung der Musiker und des Veranstalters fanden nur wenige Zuhörer den Weg nach Aspach.

Einen Hauch von New York und den legendären Jazz-Clubs brachte der Schlagzeuger nach Großaspach. Er war angereist, um zusammen mit Johannes Enders und Martin Zenker eine zweiwöchige Tournee in Europa zu spielen. (...) Die Zuhörer begeistert das Trio mit Standards und Eigenkompositionen hauptsächlich aus der Feder von Enders. Mit energiegeladener Virtuosität beherrschen alle drei ihre Instrumente. "Das ist das Vokabular, mit dem wir unsere Geschichten erzählen", so Zenker. Die Songs entwickeln sich in ihrem Verlauf zu einem furiosen Gesamtkunstwerk. Das Zusammenspiel beruht auf einer fast überirdischen Form der Verständigung, deren geheime Zeichen sich den Augen und Ohren der Zuhörer entziehen. Vor allem die jungen Deutschen, Enders lebt in Weilheim, Zenker ist in München zu Hause, scheinen zeitweise mit der Musik und ihren Instrumenten zu verschmelzen. Mit geschlossenen Augen folgen die Kollegen der jeweiligen Interpretation, um im richtigen Moment zu unterstreichen. Der Zuhörer wagt kaum zu atmen, um die an Meditation grenzende Versunkenheit nicht zu stören.

Die instrumentale Zusammensetzung des Billy Hart Trios biete eine enorme künstlerische Freiheit. (...) Die Kollegen überhäufen sich mit Superlativen und reizen die gegebenen Möglichkeiten musikalisch voll aus. "Jeder Tag mit Billy Hart ist wie ein Jahr an der Hochschule", erklärt Enders dem Publikum die Faszination, die von dem großen alten Herrn des Jazz ausgeht. "Die beiden sind die größten jungen Musiker, mit denen ich je gespielt habe", sagt Billy Hart selbst. "Sie sind außergewöhnlich und arbeiten sehr hart. Das ist für mich eine große Chance." Zenker weiß die lange Erfahrung, das Gespür und das riesige Talent seiner Mitmusiker zu schätzen: "Mit den beiden kann man enorme musikalische Risiken eingehen und wird dabei immer aufgefangen."

Trotz aller Professionalität war die Enttäuschung über die nur knapp dreißig Gäste vor allem Billy Hart anzumerken: "Normalerweise spiele ich vor fünf- bis zehntausend Menschen." Nach Aspach war das Trio gekommen, weil Enders Oehmann, beide sind in Weilheim aufgewachsen, zeitweise als Saxophonlehrer begleitet hat. "Natürlich war schnell klar, dass ich nicht gut genug bin", lacht Oehmann und ist sich der Ehre des Besuchs der hochkarätigen Musiker bewusst. Ebenso wie Komponist Peter Schindler aus Stuttgart. "Das ist so, als ob Picasso hier wäre, um einen Malkurs zu geben", wundert er sich über die geringe Resonanz bei den Backnangern. Hart kann am Ende nicht mehr an sich halten, bricht frustriert sein Spiel ab. Enders und Zenker spielen gelassen zu Ende, ganz Profis, und lassen die für Hart gedachten Passagen mit einem Augenzwinkern einfach aus.

Eine musikalische Performance auf diesem Niveau wird es in nächster Zeit wohl nicht zu sehen geben, so viel ist klar. Wer also an diesem Abend den Fernsehsessel vorgezogen hat, hat definitiv was verpasst.

Backnanger Kreiszeitung vom 22.11.2006